FRUST RATION

23. Okt 2025,

FRUST RATION
FRUST RATION

Frustriert zu sein – das ist zu wenig. Ich meine damit: zu wenig hilfreich. Wer hat nicht schon einmal – oder öfter – dieses Gefühl von Machtlosigkeit, vom Aufgeben, von Enttäuschung erlebt, das Frustration auslösen kann?

Dennoch: Frust ist keine Lösung, sondern ein emotionaler Zustand. Aha. Und was jetzt?

Jetzt kommt die gute Nachricht: Frust ist rationiert – also echt begrenzt. Frustration wurde von Dr. Frust als temporärer Zustand beim Patentamt angemeldet. Sie war niemals als permanente oder endgültige Lösung für Probleme gedacht. Das ist auch der Grund, weshalb Dr. Frust dem Begriff gleich die Ration angehängt hat. 
Guter Mann.

Woher kommt nun dieses wirklich ärgerliche Gefühl von Frust?

Als Gewohnheitsmensch mit Sicherheitsanspruch und gut möblierter Komfortzone sind aussergewöhnliche und unvorhergesehene Hindernisse ein Ärgernis der Sonderklasse. Gestern war es noch hübsch und normal hier – und heute ragen Hindernisse bis in den Himmel, den düsteren. Soweit, so schlecht. 

Doch Frustration hat noch mehr zu bieten.

Sobald sich die Erkenntnis durch den Dschungel des Ärgerns durchgekämpft hat, werden die Bilder sichtbar, die den Mangel an Kontrolle über eine Situation zeigen. Oh shit. Das ist die dramatische Seite der Geburt der Frustration. Aber es gibt auch die mildere Art – jene, die weniger mit Kontrollverlust zu tun hat, sondern mit den eigenen Erwartungen.

Ich erinnere mich an eine Szene im Film “Shirley Valentine”, als Shirley in Griechenland ihren Traum erlebt: ein Stuhl und Tisch direkt am Meer, eine Karaffe Wein und ein Sonnenuntergang der Luxusklasse.
Die Kamera nähert sich von hinten, umkreist Shirleys Gesicht. Eine Träne rollt über die Wange, und sie sagt:
Hey, Kamera. Der Traum kann noch so perfekt sein – in der Realität fehlt immer eine winzige Kleinigkeit.”
Das ist frustrierend. Nicht nur für Shirley Valentine.

Und dann gibt es noch die soziale Komponente, die wirklich toxische Gefühle hervorruft: Wenn man real oder in der Vorstellung von einer Gruppe abgelehnt oder ausgegrenzt wird. Wenn man kein Teil davon ist oder sein darf – dann feiert die Frustration echtes High Life. Mir sind diese Frustrationsmomente seit Jahren ein Gräuel. Sie sind völlig nutzlos und führen oft zu blödsinnigen Reaktionen. Als Erstes habe ich mir abgewöhnt, bei zukünftigen Ereignissen wie Einladungen oder Ferienplänen meine Erwartungen zu füttern. Danke, Shirley. Seitdem fragen mich Freunde oft, warum meine Kinnlade ständig nach unten klappt. 

Nun, mangels Haltung und begleitender Erwartungen bin ich meistens einfach überrascht ― freudig überrascht ― von dem, was ich erlebe.

Die andere Variante der Frustration konnte ich mir durchs Schreiben abgewöhnen. Uff, ich Glücklicher.
Als ich in der dunkelsten Phase meines bisherigen Lebens nicht mehr zurechtkam, fand ich zumindest die Energie und die Ehrlichkeit, meine Situation auf Papier zu bringen.
Diese düstere Auslegeordnung bestand aus: beide Firmen weg, Vermögen weg, Selbstbewusstsein verschwunden – und Zukunftsvisionen: leeres Blatt.

Und da regte sich still und leise dieser Drang, der Situation die Stirn zu bieten. Gut, ich hatte Hilfe von sehr guten Freunden, die mir die Frustration mit einem kräftigen Tritt in den Hintern aus dem Gedächtnis tilgten.

Heute lese ich manchmal mit Interesse diese toxischen Posts in den asozialen Medien und frage mich immer wieder:
Was verführt diese Menschen, grösstenteils falsche Beschuldigungen, verschwörerische Theorien und arge Drohungen in die Cyberwelt zu schleudern?
Aus Fakten wird “Fuck then”, und der selbstgebastelte Vorschlag zur Besserung sitzt im Wartezimmer – oder ist inzwischen lautlos gestorben.

Frustration sollte sich bitteschön stärker rationieren. Oder gleich verschwinden.
Einverstanden?

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