HERBSSSST.
29. Okt 2025,

Die dritte Jahreszeit wirkt seit Bestehen der Menschheit – und wohl schon kurz davor – als die trübe Tasse unter den vier jährlichen Aussenzuständen.
Was an dieser grässlich kälter werdenden, nebelverschleierten Zeit ist nicht trüb?
Indian Summer? Ach ja, diese kitschig-farbenüberladenen Szenerien der Baumfraktion! Das ist doch die Trübheit in Reinform: Da stehen einst stolze Bäume in der Gegend, überschütten ihre Blätter mit Rot und Gelb – und was tun sie?
Sie warten auf den langsamen Hinschied der Blätterwelt.
Die ollen Tannen dagegen leisten sich ihren eigenen Protest.
Sie bleiben auch in tiefsten Temperaturen und eiszeitähnlichen Situationen grün.
Denn Grün steht – so heisst es im Volksmund – für Hoffnung.
Und was tun diese grässlichen, gefühllosen Tannen und Fichten?
Sie machen sich über die entblätterten Laubbäume lustig.
Ach, ist das wirklich lustig? Nein.
Das ist Grausamkeit mit Nadeln.
Doch zurück zum Betrüblichen.
Die Zeit des Nebels trägt seit jeher den Untertitel des Mystischen – des aus dem Dunst auftauchenden Horrorgestalten, Zombies und Totgeglaubten.
Ich finde den Gedanken seltsam, dass ausgerechnet der Nebelösungen bringen soll.
Im Gegenteil! Der Nebel ist ein Verschwender, ein Verschwindenlasser, ein Sichtbeeinträchtiger.
Sogar Autos brauchen speziell angefertigte Nebellampen.
Der fies erzogene Karl Nebel nimmt den Begriff Scheinwerfer einfach wörtlich – und was tut er?
Er wirft den Schein zurück und wird damit zu einem der erfolgreichsten Blender unter der Sonne.
Der Nebel ist grundsätzlich grau – in allen Schattierungen.
Ich vermute, dass der Kerl das Grauen erfunden hat.
Wem graut es nicht, wenn die vertraute Umgebung plötzlich zur eintönigen Suppe in unmodischem Grau verkommt?
Wer will da schon raus und riskieren, sich in der Nachbarschaft zu verirren?
Na also.
Diese graue, grauenhafte Farbe hat Macht im wabernden Gepäck.
Das schlichte, unscheinbare, hoffnungslos wirkende Grau kann die Umgebung vergiften.
Die Toxik liegt in der Veränderung der Sichtweise – nicht nur in der Suppe selbst, sondern auch im Denken.
Grau ist ätzend, wenn die Farben langsam ausbleichen.
Grau wird zur Einheit. Und Einheit ist kreativtötend.
Kampf dem Grauen! rufe ich euch mit Grausen zu.
Soeben habe ich vergeblich versucht, irgendetwas Attraktives in der Farbe Grau zu finden.
Nichts.
Es ist grauenvoll leer und unbedeutend.
Grau ist ein Zwischenzustand zwischen hippiesker Vollfarbe und abgestelltem, staubigem Schwarzsehertum.
Welcher Depp – oder welche Deppin – hat das olle Grau überhaupt erfunden?
Und vor allem: Warum?
Grau ist hoffentlich nur ein Zufallsprodukt.
Denn es wäre nicht sehr menschlich – oder hilfreich – mit dem Mittelfinger auf den Erfinder dieser toxischen Farbe zu zeigen.
Das wäre... grauenvoll.
Himmel nochmal – dieser Text taumelt durch den Nebel, als würde er morgen verboten!
Dabei wollte ich doch noch schreiben, dass ich durchaus unglaubliche Motive im grauen Nebel sehe. Und sie haben mir gar nicht geschadet.
Ein befreundeter Fotograf lebt auf einem Hügel mit Blick auf eine bergige Landschaft – Kuppen, Täler, Horizonte.
In seinem Portfolio findet sich eine ganze Kollektion an Grautönen: Nebelschwaden, Nebelmeere, Nebelfetzen.
Beim Betrachten dieser mystisch wirkenden Szenen zeigt sich der Nebel plötzlich als Zauberer – als Gestalter des Unwahrscheinlichen.
Er verdeckt Gewohntes und lässt Neues aus dem Nichts erscheinen.
Dieser Grauenvolle kann ziemlich kreativ sein, wenn man ihn lässt.
Wie im echten Leben:
Man kann ihn als Deprimierenden oder als Mystiker sehen.
Ich bevorzuge den Mystiker.
